Hofdame Marie Gräfin von Festetics

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Marie Gräfin von Festetics

Sie war eine der intimsten und engsten Vertrauten von Kaiserin Elisabeth:

Hofdame Marie Gräfin von Festetics


Mária Theresia Festetics, Gräfin von Tolna wurde am 20.10.1839 in Tolna, Ungarn geboren. Ihre Eltern waren Sándor Vilibald Teodor Festetics, Graf von Tolna (*14.1.1805, †26.4.1877) und Maria Josefa Walburga Adelheid Baronin von Boxberg (*7.5.1810, †8.2.1892). Sie war das 8te Kind, von insgesamt 10 Kindern.

Das Adelsgeschlecht hatte eine lange Tradition und eine sehr große Geschichte. Leider starb der Zweig von Marie Festetics mit ihrer Nichte Elisabeth 1909 aus. Die Kleine wurde kein Jahr alt.

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Antal Festetics

Ein Großneffe von Marie ist der bekannte Wildbiologe und ORF Star Antal Festetics (*12.6.1937).

Maria (genannt Marie) ist die ersten Jahre in Tolna aufgewachsen. Die Familie lebte gerne nach ihrem „Titel“, allerdings hatte sie kaum Ahnung von Geldangelegenheiten, weshalb das Gut in Tolna aufgegeben werden musste. Sie zogen mit den Kindern nach Söjtör.

Marie wuchs sehr liebevoll auf und hatte Zeit ihres Lebens ein enges Verhältnis zu ihren Eltern und Geschwistern. Die Familie wurde von vielen Schicksalsschlägen getroffen. Als Mutter Josefa am 8.2.1892 starb,

lebte von ihren 10 Kindern nur noch Marie Festetics, welche durch ihre Verpflichtung bei Hof weder heiraten, noch Kinder bekommen durfte.

Marie bekam Privatunterricht und wurde früh in ungarisch, deutsch, englisch und französisch unterrichtet. Weiters lernte sie Handarbeit, Klavier und Gesang. Sie war außerordentlich wissbegierig, las Zeitungen und Bücher, war an Geschichte interessiert, ging gerne ins Theater, Konzerte und in diverse Ausstellungen in Museen. 

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Ferenc Deák, Lithographie Josef Kriehuber 1830

Zu den engsten Freunden der Familie zählten Ferenc Deák (*17.10.1803, †28.1.1876) und später Julius „Gyula“ Graf Andrássy von Csik-Szent-Király und Kraszna-Horka (*8.3.1823, †18.2.1890), die sie beide sehr prägten. Sowohl Deák als auch Gyula Andrássy nahmen später eine große und wichtige Rolle im Kaiserhaus, sowie in Kaiserin Elisabeths Leben ein.

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Julius „Gyula“ Graf Andrássy von Csik-Szent-Király und Kraszua-Horka

Graf Andrássy hatte in Maries Leben einen großen Stellenwert. Er war es, der Marie Kaiserin Elisabeth als Hofdame vorschlug. Schon alleine deswegen, weil er eine Verbündete im Kaiserhaus haben wollte und er von der Loyalität Maries überzeugt war.

Marie übernahm die Stelle von Maria Helene Sophie von Thurn und Taxis (*16.5.1836, †13.11.1901), welche am 15.5.1871 Wolfgang Kinsky von Wchnitz und Tettau (*19.7.1836, †14.12.1885) heiratete und somit aus dem Hofdienst ausschied. 

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Erzherzogin Klothilde von Sachsen-Coburg

Die erste Aufzeichnung die man über die Bestellung zur Hofdame am Wiener Hof zu Kaiserin Elisabeth findet, ist vom 3.7.1871. An diesem Tag erfuhr Marie, dass Kaiserin Elisabeth Prinzessin Maria Dorothea Amalie von Österreich (*14.6.1867 Alcsút, †6.4.1934 Alscút) bat, Marie freizugeben, da sie eine neue Hofdame brauchen würde.

Amalie war die Tochter von Erzherzogin Marie Adelheid Amalie Clothilde von Sachsen-Coburg (*8.7.1849 Neuilly-sur-Seine, †3.6.1927 Alcsút).

Marie wurde Angst und Bang, denn ihr gefiel das sehr ruhige Leben bei ihrer Herrin Erzherzogin Klothilde.

Graf Andrássy jedoch besuchte am 4.7.1871 Marie und bat sie eindringlich Kaiserin Elisabeth nicht im Stich zu lassen. Am 21.8.1871 wurde Marie Festetics bei Kaiserin Elisabeth anstellig, bis sie ihren Dienst aufnahm, verging aber noch eine ganze Weile, da sich Kaiserin Elisabeth in Meran aufhielt.

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Marie Gräfin von Festetics

Am 21.12.1871 wurde sie also schließlich persönlich bei Kaiserin Elisabeth vorstellig.

Sie notierte:

Die Kaiserin stand in einem blauen Kleid in der Mitte des Zimmers, eine große Dogge neben ihr. Die Kaiserin lächelte, der Hund kam auf mich zu, beschnupperte mich und wedelte er mit dem Schweife. … Sie reichte mir freundlich die Hand und sagte:

Ihnen tut es leid um die Erzherzogin, nicht wahr? Ich weiß, Sie wollten nicht zu mir kommen. Das ist nicht besonders schmeichelhaft für mich, aber natürlich, weil ich höre, daß die Familie Sie sehr lieb gewonnen hat“. ……

Danach kam sie auf Andrássy zu sprechen. „Andrássy sagte mir, daß Sie ehrlich und wahrhaft sind. Bitte verhalten Sie sich mir gegenüber auch so. Wenn Sie etwas sagen wollen, tun Sie das direkt. Wenn Sie etwas wissen wollen, fragen Sie mich, niemals jemand anderen. Wenn über mich schlecht geredet wird, das ist eine Gewohnheit im Hause, dann glauben Sie es nicht. Freunden Sie sich vorerst mit niemanden an, Sie können Ida vollkommen vertrauen. Duzen Sie sie aber nicht. Sie ist keine Hofdame und ich will nicht, daß sie mit den Damen intim wird.

Vielleicht thun sie es nur aus Neugier, aber mit Ihnen ist es anders. Durch Andrássy kenn ich Ihren Charakter. Am 27. fahren wir ab, ich nehme Sie mit. Bis dahin können Sie bei Ihrer Erzherzogin bleiben.“ (1)

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Marie Festetics und Ida Ferenczy

Ab diesem Zeitpunkt beginnt das Tagebuch, dass seit 2014 veröffentlicht ist.

Marie Festetics war eine ausgezeichnete Beobachterin und durch ihr Tagebuch bekommt man einen sehr guten Einblick in das Kaiserhaus und in das Leben von Kaiserin Elisabeth.

Aber nicht nur in das der Kaiserin, sondern auch das gesamte Umfeld wird beschrieben. 

Schon bald war Marie von ihrer Majestät begeistert. Sie schrieb am 17.1.1872 in ihr Tagebuch:

„Es war ein Hofball. Der Kaiser war auch dort. Er sieht mich recht freundlich an, grüßt mich so flüchtig, und nie habe ich noch ein freundliches Wort von ihm gehört. Sie war so schön, daß ich das Gefühl hatte, eine Fee stünde vor mir. Als ich wieder hinaus kam, fragten mich die Suiten, was die Kaiserin an hätte? Ich wußte es nicht, so sehr hat mich das, was über Ihr war, das Hoheitsvolle, Liebliche, Feenhafte, der Ausdruck der verkörperten Majestät, gefangen genommen.“ (2)

Einzig mit Mary Throckmorton, genannt Minny (*1832, †11.12.1919) verstand sie sich überhaupt nicht.

Minny war eine gefürchtete Intrigantin und gleichzeitig das Kindermädchen von Marie Valérie.

So sehr Elisabeth Klatsch und Tratsch hasste, so sehr hielt sie aber an Minny fest. Marie Valérie wurde von ihr verzogen und verwöhnt, so dass sie bei der Kaiserin gut dastand. Marie war das ein Gräuel. Sie schrieb am 2.1.1872:

„Gräßlich allein bin ich! Throckmorton und ich passen nicht zusammen. Die weiß gar nichts zu reden als fort von dem, was alles geschehen und nicht geschehen sollte und die Lily und die Helene und die Ludwiga gesagt und erzählt! Ich bin den Tratsch gar nicht gewöhnt. … Ich will auch nichts voraus wissen, nicht voreingenommen sein, es bleibt doch von jedem Geschichterl etwas kleben!“ (3)

Dies war gleich in der Anfangsphase von Marie im Dienste der Kaiserin. Aber auch später wurden Marie und Minny keine „Freundinnen“.

Marie Festetics stellte sich als Glücksfall für Kaiserin Elisabeth heraus. Nicht nur, dass sie mit Marie nur ungarisch sprach, so hatte sie in ihr eine treue Freundin und Begleiterin gefunden. Egal wohin Kaiserin Elisabeth fuhr und wer sie umgab: Marie Festetics und Ida Ferenczy waren stets an ihrer Seite.

Die einzigen Bezugspersonen die Marie blieben waren Ida und Kaiserin Elisabeth. Erzherzogin Sophie hasste alles was mit Ungarn zu tun hatte. Sie schnitt Marie aufs Gröbste, auch deren Hofdamen und der gesamte Anhang wollten mit ihr nichts zu tun haben.

Doch auch Kaiserin Elisabeth wachte über ihre beiden Lieblingsdamen. Sie verhinderte aus Eifersucht, dass Gräfin Marie Festetics heiraten konnte. 

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Fürst Nikolai Dolgorukow

Schon im Jahr 1871 – noch im Dienste bei Erzherzogin Klothilde – lernte sie 32jährig in Franzensbad den gutaussehenden Flügeladjutanten von Zar Alexander II kennen: Fürst Nikolai Dolgorucky (*1840, †1913). Er machte Gräfin Festetics auffallend den Hof, doch die beiden trennten sich ohne ein weiteres Wort.

Im Zuge der Weltausstellung in Wien und bereits im Dienst am Wiener Hofe, begegnete Marie dem hübschen Russen noch einmal.

Sie notierte:

„Er hatte die Keckheit, von Franzensbad zu sprechen:Ah, Madame welch ein Glück, Sie wiederzusehen, noch einmal bei Nacht! Welche Gelegenheit! Ich habe bis jezt noch nicht Ihre Bekanntschaft gemacht. Aber nein! Ich kenne Sie von einer Kur vor einigen Jahren, ich kenne Sie zur Gänze! Ihre Seele, jeden Ausdruck Ihrer Augen, jede Linie Ihres Körpers, ich kenne Ihr Lächeln, den Ausdruck Ihres Mundes, endlich alles, alles von Ihnen! Nicht die geringste Ihrer Bewegungen ist mir entgangen. Sagen sie nicht, daß Sie nicht bemerkt haben. Aber ja! Ich weiß, daß Sie verärgert sind!“ So und noch unglaublicher ging es fort! Kein Wort hatte ich noch gesagt, alle Leute glaubten, wir seien alte Bekannte und wollten nicht heran.“ (3a)

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Graf Alexander Carl Stürler

Schließlich lernten sich die beiden bei den Festivitäten zu der Weltausstellung näher kennen und Maries Herz entflammte.

Der gemeinsame Freund Alexander Carl Graf Stürler (*9.5.1825, †3.6.1901) erzählte Marie die Lebensgeschichte des armen Fürsten, welcher sich mit einem Oberst duellieren musste, daraufhin seinen Adelstitel verlor und in den Kaukasus geschickt wurde.

Dort musste er bis zum Krieg ausharren, diente in jenem und bekam den Georgsorden für besondere Verdienste. Daraufhin wurde er von Zar Alexander II begnadigt, erhielt seinen Titel zurück und wurde sein Flügeladjutant.

Weiters wusste Graf Stürler folgendes:

Denken sie gutes über diesen armen Jungen, Gräfin. Er denkt an sie seit Franzensbad und Sie haben ihn sehr berührt. Er liebt Sie seither. Ich werde ihm sagen, daß ich eine Thräne in Ihren Augen gesehen habe.“ Ja, ich hatte eine Thräne im Auge gehabt. (3b) 

Marie erzählte Kaiserin Elisabeth davon, die gar nicht begeistert war:

Sich mit ihm zu amüsieren, erlaube ich, aber nicht lieben, noch weniger ihn zu heiraten! Das dürfen Sie nicht! Es wäre auch nicht schicklich, mich wegen eines fremden Mannes zu verlaßen, ich erlaube es Ihnen ausdrücklich nicht!“ Wie sah sie mich an! „Sie sollten nicht einmal hinhören, wenn er anfängt über so etwas zu reden.“ (3c)

Nikolai wusste das Marie mit sich haderte. Marie notierte das gesagte Wort vom Fürst in ihr Tagebuch:

„Für noch weniger würde man nach Sibiren kommen. Darf ich offen sprechen, Madame? Sie bewundern die Kaiserin sehr, ich verstehe, daß Sie bleiben wollen. Sie erscheint wie ein Engel, mit diesem Ausdruck, dieser außergewöhnlichen Schönheit. Sie lieben Sie sehr, Madame, ich habe es deutlich gesehen. Für einen anderen wäre das ein Glück. so ein schönes Gefühl, das Sie vielleicht gar nicht zu würdigen weiß in dieser Größe, dieser völligen „Selbstverleugnung“. Mir wurde siedenheiß. Hat er recht? „Denken Sie darüber nach, Madame, denken Sie darüber nach, ich beschwöre Sie!“ 

Kurz vor einem Diner traf sie Kaiserin Elisabeth, die sie den ganzen Tag noch nicht gesehen hatte.

Dabei fiel nur ein einziger Satz, den Kaiserin Elisabeth ihr sagte:

„Sie dürfen nicht!“

(3d)

Am 7.6.1873 versuchte es Nikolai noch einmal. Er wagte Gräfin Festetics seine Liebe zu gestehen und bat sie eindringlich Kaiserin Elisabeth zu verlassen und mit ihm nach Russland zu gehen. Ihr werde an nichts fehlen, versprach er und er würde sie glücklich machen. Marie haderte schwer mit sich.

Am 9.6.1873 reiste Zar Alexander II ab, mit samt Graf Stürler und Fürst Dolgorukow. Zum Entsetzen Maries sahen sich die beiden am Morgen noch einmal:

„Sagen sie mir etwas Gutes, Madame! …. Daß Sie sich mir verschließen, bedeutet mir viel Schmerz!“ (3e)

Nikolai verbeugte sich, gab Gräfin Festetics einen Handkuss und ließ diese verstört zurück.

Sie haderte mich sich, wusste nicht so Recht, ob die Entscheidung rechtens war. Dennoch hatte sie sich für die Kaiserin entschieden. 

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Paul Almássy
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Karoly Kerkápoly

Da Marie eine Schönheit war, blieb Fürst Nikolai nicht der einzige glühende Verehrer.

Unter ihnen war auch Graf „Mucky“ Mikos (näheres leider nicht bekannt) und der alternde Politiker Paul Almássy (*1818, †1883).

Doch keiner unter ihnen wurde Marie Festetics noch einmal so gefährlich wie Nikolai; mit einer Ausnahme: Karoly Kerkápoly (*13.5.1824, †31.12.1891), Anwalt und Politiker

Bereits im Dezember 1873 lernte sie Karoly kennen. Durch Graf Andrássy lernte sie fast jeden Politiker in Ungarn kennen. Noch immer haderte sie wegen ihrem „schönen Russen“, wie sie ihn in ihrem Tagebuch nannte. 

Am 6.2.1874 notierte sie:

„Stefanie Wickenburg erschien, als Brautwerber nochmals für Mucki Mikos, der von Mexiko zurück, behauptet, er kann mich nicht vergeßen! Wenn ich „Sie“ verlaßen könnte, hätte ich doch meinen interessanten Russen geheirathet! Konnte ich mich in den stillen Tagen, meinem Söjtör, zu diesem Opfer nicht entschließen, warum jezt? Wo „Sie“ mich braucht, kaum ein Tag vergeht, wo Sie es nicht sagt? Alles könnt ich aufgeben, nur „Sie“ nicht….“ (3f) 

Am 9.4.1874 gestand Karoly Kerkápoly ihr die Liebe:

„Kerkapoly war da, das gibt mir zu denken, denn er sagte mir schlicht und einfach, daß er mich liebt. Ich erschrack darüber so sehr, daß er es merkte. Ich sah, es that ihm weh. Ich las einst ein Buch, da stand so etwas drin: Ein älterer Mann, der in späten Jahren den Traum der Jugend träumt. Wie leid thut er mir! Er sagte mir, als er mich das erste Mal in Szölöske bei Andrássy sah, wußte er, daß sein Schicksal vor ihm stünde. Er bat mich gar, nicht desperate zu sein! Mich begegnet zu haben sei Glück genug für ihn. Es bleibe, wie es ist, er lebe davon! Zu was das, frage ich das Schicksal?? (3g) 

Jahrelang sollte Karoly nicht aufgeben. Doch es endete genauso traurig, wie bei Nikolai, den Marie Zeit ihres Lebens nicht vergessen konnte.

Marie blieb im Dienste der Kaiserin.

Karoly wurde nach seiner Politikerkarriere ein sehr reicher Weinbauer, blieb aber unverheiratet und kinderlos. 

Immer wieder haderte Marie mit ihrem Schicksal. Sie liebte Kinder über alles, ihre Familie starb mehr und mehr aus. Niemand schien übrig zu bleiben, der den Namen weitergeben konnte. Sie war oft allein und blieb an ihren Gedanken hängen. Doch

„wenn Ihr sonnenheller Blick auf mich fällt, kömmt mir vor, es wäre das Schwerste leicht zu tragen.“ (3h)

Marie zog sich, wenn sie nicht gerade gebraucht wurde, zurück und schrieb ihr Tagebuch. Marie Valerie war oft Bang, dass dieses Tagebuch in falsche Hände geriet, denn egal über wen, Marie schrieb es auf. Insgesamt 10 Bücher und 2000 Seiten schrieb sie von 1871 – 1884.

Danach geht das Tagebuch erst ab 1904 weiter. Ob die Bücher tatsächlich 1884 aufhörten oder absichtlich „vernichtet“ oder bis heute „versteckt“ wurden (werden), ist nicht überliefert. Leider fehlt daher auch die Beobachtung zu Kronprinz Rudolfs Tod. Erst 1906 schrieb Marie einen Eintrag in ihr Tagebuch:

„Der Kronprinzen Wundergarten! Wie ein Bouquet auf blauer Fluth gewiegt liegt es in Sonnenlicht. Und Er? In des Lebens voller Blüthe von eigner Hand geknickt, schläft neben seiner gemordeten Mutter seinen ewigen Schlaf.“ (4)

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Marie Gräfin von Festetics

Marie Festetics war in ihrem Denken der Zeit weit voraus.

Sie schrieb die Tagebücher, um der Nachwelt zu beweisen, wie wunderbar Kaiserin Elisabeth war, wissend, dass der tratschende Wiener Hof kein gutes Haar an ihr lassen würde.

Doch bei all ihrer Loyalität und innigen Freundschaft, manchmal kann man auch leise Kritik lesen. Die Kaiserin sei oft schwermütig, in Gedanken versunken, ohne Aufgabe, ohne Lebensinhalt. Die eine Aufgabe, die sie hatte, die wollte sie nicht und was anderes findet sie nicht. Solche Passagen findet man des Öfteren.

Marie war also sehr wohl bewusst, dass sich Kaiserin Elisabeth zu Tode langweilte und sich genau deswegen in ihre Wahnvorstellungen flüchtete. Alles was Elisabeth anpackte wurde mit großer Manie betrieben: Reiten, Wandern, Reisen oder die Kindeserziehung von Marie Valérie.

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Irma, Gräfin Szátary von Sztára und Nagy-Mihály

Egal wohin Elisabeth fuhr, Marie fuhr mit. Meran, Gödöllö, Triest, Paris, Budapest, Sassetot, Irland, England, Korfu und Mittelasien.

Doch irgendwann wurden auch Marie und Ida alt. In den frühen 90er Jahren schaffte Marie die vielen Reisen und stundenlangen Fußmärsche der Kaiserin nicht mehr.

Marie und Ida verblieben deshalb ab 1894 im Innendienst, während Irma, Gräfin Szátary von Sztára und Nagy-Mihály (*10.7.1864, †3.9.1940) mit Kaiserin Elisabeth auf Reisen ging.

Zu diesem Zeitpunkt ließ Elisabeth niemand anderen mehr an sich ran, als Marie Valérie und Irma bzw. Marie.

Zwischen 1894 und 1898 hatte Kaiserin Elisabeth nur noch 2 Hofdamen. Immer wenn Elisabeth vor Ort war, vertrat Marie Irma, bzw. übernahm deren Aufgaben.

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Kaiserin Elisabeth im Milleniumskleid für die 1000 Jahr Feier in Ungarn 1896

Marie vertrat Irma, während ihres Urlaubes und begleitete Kaiserin Elisabeth zu den Milleniumsfeierlichkeiten nach Ungarn, welche im Mai/Juni 1896 stattfanden.

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Kaiser Franz Joseph I. und Kaiserin Elisabeth empfangen den ungarischen Reichsrat 1896. Heliogravure nach Gemälde, mit Originalunterschrift des Künstlers Benczúr Gyula

Dies war der letzte öffentliche Auftritt von Kaiserin Elisabeth.

Marie und Kaiserin Elisabeth sahen sich zum letzten Mal im Juli 1898 in Bad Ischl.

Während sich Elisabeth mit Irma Richtung Bad Nauheim zur Kur und die Schweiz aufmachte, zog sich Marie nach Söjtör zurück. Sie kaufte nach und nach die Ländereien der Festetics zurück.

Der Tod der Kaiserin traf sie sehr schwer.

Marie Valérie nahm ihr im November 1898 das Versprechen ab, die Tagebücher testamentarisch zu hinterlassen.

Erzherzogin Marie Valérie konnte Marie Festetics nie leiden. Sie machte sie für das oft falsche Handeln ihrer Mutter verantwortlich.

Als die Kaiserin gestorben war, mussten Ida und sie sofort ihre Wiener Wohnungen in der Hofburg räumen. Ihre jahrelangen Hetzer hatten endlich ihren Triumpf.

Marie hatte vorgesorgt und sich in der Reisnerstrasse, im 3. Wiener Gemeindebezirk eine Wohnung gekauft. Ida zog in die Nachbarwohnung ein. 

Die Trauer war grenzenlos, doch Marie verfiel weder in Depressionen, noch in Schwermut.

Um sich an die guten Zeiten mit Kaiserin Elisabeth zu erinnern, fuhr sie an jene Orte, an denen sie glücklich war. Sie besuchte auch Ida häufig in Budapest, diese hatte dort ein Kaiserin Elisabeth Museum eröffnet. 

Ab 1906 ist zu lesen, dass sie insgeheim Irma für den Tod Elisabeths verantwortlich machte.

Als der 1. Weltkrieg ausbrach und sie den Untergang des Kaiserreichs mit ansehen musste, wurde die bereits 79jährige Gräfin krank.

Aber auch privat musste sie herbe Rückschläge einstecken. Sie selbst, die sich jahrelang für ihre Familie aufgeopfert hatte und mit ihrem Geld ihren alten Besitz zurückerlangte, wurde 1920 von ihrem Besitz enteignet. Dieses Land wurde unter den mittellosen Bauern aufgeteilt.

Nur einen Bruchteil des gekauften Landes konnte sie ihrem Neffen Karl hinterlassen; als dieser starb und die Witwe das Land ebenfalls 1943 verlor, musste dies Marie zum Glück nicht mehr miterleben.

Marie Gräfin von Festetics starb am 16.4.1923 in Sjötör. Mit ihrem Tod starb ihr Zweig der Familie Festetics aus. Sie ruht im Familiengrab der Festetics in Tolna.

Petra –


Rechtliche Hinweise:
Textrechte: Petra
Bildrechte: Österreichische Nationalbibliothek, Wikimedia/Commons, APA/Andreas Friess/ORF, von-gans.net


Literatur Hinweis:

1 – S 46, 2 – S 49,  3 – S. 48, 3a – S. 159, 3b – S. 162, 3c – 161, 3d – S. 163, 3e – S. 166, 3f – S. 167/8, 3g – S. 168, 3h – S. 170, 4 – S 286
Gudula Walterskirchen, Beatrix Meyer
Das Tagebuch der Gräfin Marie Festetics
Residenz Verlag, 3. Auflage, 2014


Hofdame Lily Gräfin von Hunyady

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Caroline Gräfin von Hunyady, ca 1860/1, Madeira

Eine der früheren Hofdamen, Freundin und Vertrauten von Kaiserin Elisabeth war Caroline Gräfin Hunyady von Kéthely, genannt Lily. Sie wurde am 26.12.1836 in Wien geboren. 

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Henriette Prinzessin von Liechtenstein
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Josef Graf von Hunyady

Ihr Vater József János Nepomuk Antal Zsigmond Graf Hunyady von Kéthely, genannt Josef Graf von Hunyady (*13.1.1801, †9.3.1869) war der erste ungarische Obersthofmeister am österreichischen Kaiserhof. 

Josef ehelichte am 1.10.1825 Henriette Prinzessin von Liechtenstein, welche die Tochter des österreichischen Feldmarschalls Johann I. Josef von Liechtenstein war.

Am 22.7.1827 kam Imre Joachim Ferenc Graf Hunyady von Kéthely zur Welt (†8.6.1902). Er war somit Carolines älterer und einziger Bruder. 

Lily wurde Hofdame, als Kaiserin Elisabeth auf den österreichischen Kaiserhof kam.

Leider gibt es keine Quellen, die das innige Verhältnis der beiden Frauen näher beschreiben könnte. Brigitte Hamann schreibt in ihrer berühmten Biografie, dass das Verhältnis zu Lily sehr innig war.

Dies führte zu bösartigen Gerüchten und Eifersucht unter den anderen Hofdamen. Elisabeth und Lily wurde sogar eine lesbische Beziehung angedichtet. 

Lily und ihr Bruder Imre, sowie Maria Helene Sophie von Thurn und Taxis (*Anmerkung unten) (*16.5.1836, †13.11.1901) und Mathilde Windischgrätz begleiteten 1860 Elisabeth auf Madeira, wo sie sich teilweise zu Tode langweilte.

Außer Leierkasten- sowie Kartenspiele und ewig lange Spaziergänge fand auf Madeira nichts statt. Kaiserin Elisabeth ließ sich extra Papageien, Hunde (aus Großbritannien) und andere Tiere importieren damit die Langeweile eingedämmt wurde.

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Kaiserin Elisabeth, Helene von Thurn und Taxis, Lily Hunyady und Mathilde Windischgrätz, ca. 1860/1 Madeira

Ein Foto ging in Wien wie ein Lauffeuer herum. Es zeigt Kaiserin Elisabeth mit der Mandoline, Helene hält einen kleinen Hund, Lily steht im Hintergrund und sieht alle an, Mathilde hält einen Tubus in der Hand. Alle sind mit Matrosenhemden und -hüten gekleidet.

Dieses Foto wurde ein Skandal. Nicht nur, weil man in Wien dachte, Kaiserin Elisabeth sei dem Tode nahe, sondern auch, weil sie auf dem Foto glücklicher und gesünder aussah, als jemals zuvor in Wien. 

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Imre, Graf von Hunyady Foto: Wikimedia/Commons

Imre Graf von Hunyady war als erster ungarischer Lehrer mit auf der Reise, verliebte sich aber unglücklicherweise während dieses Aufenthaltes in Elisabeth, was prompt seinen sofortigen Abgang zur Folge hatte.

Lily und Imre waren auf alle Fälle der Grundstein für die große Liebe von Kaiserin Elisabeth zu Ungarn.

Zurück in Wien begang Lily einen der „größten Fehler“ im Leben einer Hofdame: sie verliebte sich in Otto Wilhelm Graf von Walterskirchen (*19.6.1833, †16.11.1912), welcher als Diplomat arbeitete. Da das Protokoll den sofortigen Ausschluss aus dem Hofdienst vorsah, wurde sie sofort nach ihrer Hochzeit entlassen.

Wieso dies so war und was genau eine Hofdame zu tun hatte, könnt ihr in meinem großen Bericht „Spanisches Hofzeremionell“ nachlesen (hier).

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Lily und Imre in Madeira 1860/1, Foto: Wikimedia/Commons 

Danach gibt es unterschiedliche Aussagen der Biografen.

Bei Gudula Walterskirchen heißt es, dass sich die beiden nie wieder sahen und sich auch sonst Kaiserin Elisabeth nicht mehr um ihre einstige engste Vertraute kümmerte.

Otto sei verarmt gewesen, da ihm als Letztgeborener kein eigener Besitz mehr zustand. Das Paar lebte nur von den Einkünften die Otto als Diplomat einnahm. Diese Karriere verlief aber alles andere als steil, er musste oft sehr lange auf seine Botschafterposten warten.

Brigitte Hamann jedoch schrieb, dass sich die beiden auch noch nach der Heirat immer wieder trafen, da Lily nun zum österreichischen Adel gehörte, obwohl sie Ungarin war. Angeblich schrieb Kaiserin Elisabeth auch immer noch Briefe an Lily.

Da aber weder Tagebuchaufzeichnungen erhalten sind (ob jemals eines geführt wurde, ist nicht bekannt), noch die Briefe, kann diese Aussage nicht weiterverfolgt werden. Auch über das weitere Leben von Gräfin von Walterskirchen ist nichts bekannt.

Lily Gräfin von Walterskirchen starb am 28.2.1907 in Wien.

– Petra –


Anmerkung Petra: (*) Maria Helene Sophie von Thurn und Taxis wird in der Literatur immer nur „Helene von Thurn und Taxis“ genannt. Es führt daher oftmals zur Verwirrung und viele glauben hier „Néné – also Helene Herzogin in Bayern, verheiratete Helene von Thurn und Taxis  vor sich zu haben, die Lieblingsschwester von Kaiserin Elisabeth. 


Rechtliche Hinweise:
Textrechte: Petra
Fotorechte: Wikimedia/Commons, geni.com


Literatur Hinweise:

Brigitte Hamann
Elisabeth Kaiserin wider Willen
Piper Verlag, TB Ausgabe 8. Auflage 2017

Gudula Walterskirchen
„Der Franzi war ein wenig unartig“
Hofdamen der Habsburger erzählen
Residenz Verlag, 2013 1. Ausgabe, (nur noch antiquarisch erhältlich)